Die GRÜNEN in Münster fordern mehr Selbstbestimmung und eine bessere Versorgung ungewollt schwangerer Frauen. Anlass ist die in der vergangenen Woche vorgestellte ELSA-Studie („Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer, Angebote der Beratung und Versorgung“). Nach 3,5 Jahren Forschungsarbeit wurden zentrale Ergebnisse der Studie veröffentlicht. Sie wurde 2018 vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegeben.

Gegen Stress und Stigmatisierung

Ziel des Forschungsvorhabens war und ist es, herauszufinden, welche sozialen und gesundheitlichen Belastungen bei ungewollt schwangeren Frauen vorliegen und welche Unterstützungsangebote beim Erleben und Verarbeiten einer ungewollten Schwangerschaft hilfreich sind. Mit den Aussagen und Daten der betroffenen Frauen sollen Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Situation erarbeitet werden. 

Birgit Wolters, Sprecherin der GRÜNEN in Münster: „Die Ergebnisse dieser und auch schon früherer, z.B. US-amerikanischer Studien zeigen, dass es an der Zeit ist, mehr Selbstbestimmung für betroffene Frauen zu ermöglichen. Ungewollt Schwangere müssen einen hohen Aufwand betreiben und erleben Stress und Stigmatisierung auf dem Weg zu einem möglichen Abbruch der Schwangerschaft. Das muss sich ändern!“ 

§218 – im Strafgesetzbuch! – regelt, dass der Abbruch bis zur 12. Schwangerschaftswoche zwar nicht legal ist, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt. Ärztliche Bescheinigung, Antrag auf Kostenübernahme, verpflichtende Konfliktberatung, Kümmern um Termine und Orte, die einen Abbruch überhaupt möglich machen: All das muss in kurzer Zeit geschehen, neben Arbeit und Alltag der Frauen. 

Defizit an Versorgung und Information

Betont wird zudem, dass sich ungewollt schwangere Frauen oftmals so stigmatisiert fühlen, dass sie ihre Situation vor Freunden, der Familie, manchmal sogar dem Partner geheim halten. Eine enorme Balastung. Auch fehlt es noch an Informationen. Zwar ist §219a seit dem Sommer 2022 aufgehoben, sodass Arztpraxen inzwischen informieren dürfen, dass sie den Abbruch durchführen. Trotzdem gibt es noch zu wenig Information, die niedrigschwellig ist und ohne weitere Stigmatisierung und Kriminalisierung auskommt. 

Andrea Blome, gleichstellungspolitische Sprecherin der grünen Ratsfraktion:  „Das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch ist eine Menschenrechtsfrage. Die Weltgesundheitsorganisation hat 2022 in einer Leitlinie festgelegt, dass Frauen der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung wohnortnah, ohne Stigmatisierung und ohne Barrieren gewährt werden muss. Deutschland erfüllt dies mit der derzeitigen Praxis gemäß §218 nicht. Die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ist daher überfällig. Denn der Strafrechtsparagraf 218 stigmatisiert nicht nur Schwangere, die sich für eine Abtreibung entscheiden, sondern auch die behandelnden Ärzt*innen. Dass wir in Münster keine Klinik und nur wenige Praxen haben, die Abbrüche nach der Beratungsregelung durchführen, ist eine Folge dieser Politik. In Münster haben wir bereits 2021 beantragt, dass die Stadt eine Koordinierungsstelle einrichten möge, um die unzureichende Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen zu verbessern. Gemeinsam mit dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung und der Arbeitsgemeinschaft münsterscher Frauenorganisationen arbeiten wir seit Jahren daran, Ärztinnen und Ärzte besser zu informieren und zu vernetzen, damit sie sich an der medizinischen Versorgung beteiligen und diese Aufgabe nicht einigen wenigen überlassen.“

Ganz aktuell hat eine von der Bundesregierung beauftragte Arbeitsgruppe einen Bericht vorgelegt, der sich mit §218 und der möglichen Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs befasst. Ein Blick ins Nachbarland Frankreich zeigt, dass es machbar ist. Dort wurde das Recht auf Schwangerschaftsabbruch kürzlich in der Verfassung verankert. Auch das Parlament der Europäischen Union hat sich dafür ausgesprochen, es in die Grundrechte-Charta der EU aufzunehmen.