Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
vor drei Monaten haben wir hier im Rat den Hindenburgplatz in Schlossplatz umbenannt. Uns war klar, dass die „Entzauberung“ der Figur Hindenburg insbesondere ältere Menschen irritiert, weil ihr Bild von Hindenburg durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse in Frage gestellt wird.
Politischer Protest zeichnete sich schon damals ab und er ist legitim.
Nun liegen die historischen Fakten zu Hindenburg, einem aktiven Förderer Hitlers, immer noch auf dem Tisch – wir werden die Umbenennung nicht rückgängig machen.
So weit, so unverändert unsere Grüne Position und die Haltung der Mehrheit der Ratsfrauen und Ratsherren aus allen Parteien.
Doch etwas ist neu.
Womit so nicht zu rechnen war, ist, dass auch 20-30 Jährige die Bürgerinitiative „Pro Hindenburgplatz“ unterstützen. Sie sind eine Minderheit unter allen jungen Münsterane*innen. Trotzdem sollten diese jungen Unterstützer*innen uns mindestens so viel zu denken geben wie Marketing- und Imageprobleme.
Wir sollten auch selbstkritisch hinschauen.
Was bewegt heute junge Frauen und Männer, an dem Namen Hindenburg festzuhalten?

  • Die Junge Union mag sicherlich ihre Mutterpartei auch provozieren wollen – doch dieser Wunsch erklärt nicht hinreichend die Zustimmung der Bürgerinitiative „Pro Hindenburg“ unter jungen Menschen. Sie ist nicht allein ein CDU Problem.
  • Stichwort „Politikverdrossenheit“: Inwiefern hat die Umfrage unter Bürgerinnen und Bürgern „Ehrung von Personen durch Straßenbenennungen“ auch ein weiteres Puzzleteil dazu beigetragen? Die Fragetechnik war aus methodischer Sicht sicher grenzwertig.
  • Stichwort „demokratische Erziehung“: Welchen Politik- und Geschichtsunterricht haben die jüngeren Unterstützer*innen genossen? Wie haben sie sich im Studium, in der Ausbildung, in Vereinen mit der NS-Zeit auseinandergesetzt? Oder war dafür zu wenig Raum?
  • Wieso stört es die jüngeren Unterstützer*innen der Bürgerinitiative nicht, dass der Platz 85 Jahre nach Hindenburg geheißen hat? Vermutlich steckt dahinter auch das Anliegen nach einem Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit. Diese Schlussstrichdebatte sollten wir aufgreifen und mit Jugendlichen stärker ins Gespräch kommen.
  • Stichwort „Intellektuellenfeindlichkeit“: Oder wie soll ich das interpretieren, wenn einige Unterstützer*innen Historikerinnen und andere Wissenschaftler als manipulativ, arrogant und besserwisserisch beschimpfen und sich selbst für demokratischer und kompetenter halten?

Soweit zu möglichen Motivlagen.
Unabhängig davon, wie der Prozess nun weiter läuft,
sind die hier gestellten Fragen nicht vom Tisch – sie werden uns weiter beschäftigen.
Kurzfristig heißt es jetzt, alles dafür zu tun, dass der Schlossplatz weiter Schlossplatz heißt, langfristig müssen wir mehr in politische Bildung investieren.