Es haben sich in den letzten Tagen die Kommentare der verbitterten Verlierer von damals gehäuft, die das Ergebnis als schädlich für Münster charakterisierten, das man aber leider akzeptieren müsse. Ich halte diese Stellungnahmen für ein Indiz ungebrochener sozialer und kulturpolitischer Kurzsichtigkeit, um es zurückhaltend zu formulieren.Zuallererst ist festzuhalten, dass sich im April 2008 etwas Unerhörtes und Großartiges ereignete. Ganz unabhängig davon, wie man sachlich zur Finanzierung einer Musikhalle aus der maroden Stadtkasse steht, muss man doch bewundern, wie selbstbewusst sich die MünsternerInnen gegen den Versuch der Bevormundung wehrten, wie lebendig Demokratie von unten in der Domstadt funktioniert. Das soll uns eine andere Stadt mal nachmachen! Eine kleine Bürgerinitiative, getragen von unabhängigen Aktivisten und doch eher kleineren Gruppen, unter denen wir GRÜNEN noch die bei Weitem größte politische Kraft waren, also eine solche Mini-BI tritt an. Auf der anderen Seite die „Eliten der Stadtgesellschaft, der Geldadel inklusive aller Wirtschaftsverbände, die Stadtregierung aus CDU und FDP – im Bund mit der SPD-Opposition und einer von allen guten Geistern verlassenen Fachverwaltung. Hinter sich wussten sie sämtliche Printmedien der Stadt, inklusive Funk und TV. Eine Crew aus eingekauften Kulturfachleuten, Polit- und sonstige Prominenz, und leider auch kommunale Akteure der Musikszene, die sich als Profiteure einer Musikhalle wähnten, erklärten in einer teuren Werbekampagne den Einwohnern, warum es in der münsterländischen Parklandschaft unbedingt einen Leuchtturm braucht. Kurz: hier trat David gegen Goliath an. Das Ergebnis war turmhoher KO-Sieg der Kleinen! Mit 70%, die das Anliegen der Bürgerinitiative unterstützten, haben Münsters eindrucksvoll Bürger gezeigt, dass sie sich so leicht nicht manipulieren lassen. Bravo Münster!Auch die gerne vorgetragene These, Münster habe sich durch diesen Verzicht aus eine Musikhalle aus der Bundesliga der deutschen Kulturstädte verabschiedet, wie das jüngste Kulturgutachten des Landes NRW belege, ist aus Sicht der GRÜNEN total falsch. Richtig ist, dass die münstersche Kulturszene (besser : ihre Förderung) auf dem absteigenden Ast ist und in den letzten Jahren an Quirligkeit verlor. Die Ursachen sind schnell genannt:Münster hatte in einem gesellschaftlich breit getragenen Prozess einen Zukunftsplan Kultur für die Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt erarbeitet. In diesem Konzept tauchte die „Musikhalle zu Recht an keiner Stelle auf, wie jeder noch heute nachlesen kann. Die Stärke des Konzeptes lag zum einen in seinem Ansatz, Kulturprojekte aus der realen Kulturlandschaft fortzuentwickeln. Zum anderen lag sie in der Konzeptphilosophie, die den „Weg als das Ziel erklärte und den eventuellen Titelgewinn als „Sahnehäubchen oben drauf. Angeblich wollte man das Konzept so oder so verfolgen. Von wegen! Kaum war man „nur auf dem 2. Platz gelandet, wurden Projektleitung und Konzept entsorgt. Die CDU, die die Bewerbung zur Kulturhauptstadt zunächst per Ratsbeschluss hatte verhindern wollen, dann notgedrungen mitmachte, kehrte mit der im Kern kulturfeindlichen FDP zur alten Kulturpolitik zurück. Die freie Kulturszene wurde flächendeckend mit Rasenmäherkürzungen überzogen, die Städt. Bühnen in die dritte Finanzformel, sprich Sparrunde, gezwungen. Die Folgen waren noch nicht überstanden, da wurde mit dem Rödl-Gutachten der örtlichen Kulturlandschaft geradezu der Krieg erklärt. Freie Szene, VHS, Stadtarchiv und Stadtmuseum, Stadtbücherei und Musikschulen erlebten die tiefsten Budgetkürzungen ihrer Geschichte. Wen wundert es da, das sich so etwas wie Resignation und Müdigkeit unter Künstlern und Kulturinitiativen breit machte. Die zeitgleich auflebende, fast 20 Jahre als uninteressant ignorierte Idee einer Musikhalle war Ausdruck dieser Schwäche von Kulturpolitik und Kulturszene. Sie verfolgte nämlich nie einen primär kulturellen Zweck, etwa die konsequente Weiterentwicklung kultureller Leistungsträger. Sie war von Anfang an eine Marketing-Idee, die Münster zu Leuchtturmattributen verhelfen sollte, die nach Meinung gewisser Experten eine Weltstadt haben muss, will sie „sexy sein. Man traute , völlig zu unrecht übrigens, der heimischen Kulturszene diese Strahlkraft nicht zu und verfiel daher auf die ziemlich wenig originelle Idee, sich wie andere Städte große Kunst einzukaufen. Diese Idee hatte , wie sich herausstellen sollte, wenig Anziehungskraft auf die eigene Bevölkerung.Insofern ist aus grüner Sicht der Sieg beim Bürgerentscheid auch ein kulturpolitischer Sieg. Nicht weil ein Musikhalle grundsätzlich ein Übel wäre – natürlich nicht, sondern weil damit hoffentlich eine Kulturpolitik beerdigt wurde, die auf wenige, vermarktungsfähige Kultur-Highlights setzt, statt genrespezifisch den Künstlern und Kulturanbietern Arbeitsbedingungen zu schaffen, in denen Kunst sich entfalten kann. Dann kommen die Highlights ganz von selbst und dürfen dann auch gerne mal internationale Gäste sein.Aber eben in diesem Wirkungszusammenhang!Hery KlasFraktionssprecher B90/GRÜNE/GAL