Wir dokumentieren an dieser Stelle die Haushaltsrede unserer Rarsfraktionssprecherin Sylvia Rietenberg in der Haushaltssitzung des Rats am 13.12.2024:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,
dies ist meine vierte Haushaltsrede. Ich freue mich besonders zu bemerken, dass es der vierte Haushalt ist, den diese Koalition – dieses Mal gemeinsam mit der IF – verantwortet.
Vielen Dank an alle Beteiligten in Politik und Verwaltung für die konstruktive Zusammenarbeit.
Ich möchte heute zunächst über etwas sprechen, was mir Sorgen bereitet, und das sich auch auf die Gestaltung des Haushalts 2024 ausgewirkt hat.
Sehr geehrte Damen und Herren,
DASS sich Vieles verändert hat und ein neues Normal entstanden ist, spüren nach meinem Empfinden die meisten Menschen in unserem Land aktuell. Ich spreche nicht von der Gewöhnung an Kriege und gewaltsame Konflikte, die mit so vielen Toten verbunden sind, oder von der noch immer drängenden Migrationsdebatte oder gar der Klimakrise. Ich möchte von der Stimmung in unserem Land und dem gesellschaftlichen Miteinander sprechen.
Die Art, WIE wir uns auseinandersetzen, hat sich verändert: Die Grauzonen fehlen. Wer am schrillsten schreit, wer die größte negative Nachricht bringt, erhält Gehör.
Verachtung, Hass und Häme haben zugenommen, angeheizt von antidemokratischen Kräften.
Auch in Münster geht es allzu oft nicht um Sachargumente und Konzeptdebatten. Es geht nur noch darum, die politischen Gegner als „unfähig“ oder gar „ideologisch verblendet“ darzustellen, ohne den Sachargumenten etwas zu entgegnen …
Ich meine aber: Wenn Politik das Vertrauen der Menschen für ideologisch und taktisch motivierte Spielchen derart grundlegend aufs Spiel setzt, muss sie sich über den Eindruck nicht wundern, den das bei den Bürgerinnen und Bürgern hinterlässt. Der Eindruck ist dann, dass der Staat nicht mehr handlungsfähig ist. Und genau darauf zielen antidemokratische Kräfte.
Dazu passt dann die Entwicklung der letzten Monate, in denen ersichtlich wird, wo überall in der Vergangenheit nicht sauber gearbeitet wurde und wo nun die zahlreichen Versäumnisse sichtbar zutage treten – und ich spreche hier nicht von der Deutschen Bahn!
Bezogen auf die Erfüllung der Daseinsvorsorge sind ja auch in Münster deutliche Defizite zu erkennen:
• Wenn wir in fast jeder Ratssitzung den Bau einer neuen Kita beschließen – und dann das Personal für die Kinderbetreuung fehlt, dann verlieren wir das Vertrauen der Menschen in unser Handeln.
• Wenn wir uns darüber freuen, in vielen Stadtteilen Schwimmbäder zu haben – und jetzt zum Glück auch wieder auf der Geist –, aber dann das Personal fehlt, um die Bäder zu nutzen oder wegen Legionellenbefall ein Bad nach dem anderen schließt, dann verlieren wir das Vertrauen der Menschen.
• Gleiches gilt, wenn wir uns ins Zeug legen, um den Nahverkehr günstig und unkompliziert zu machen – und dann noch weniger Busse fahren, weil das Personal fehlt.
Egal auf welcher Ebene: Die Menschen zweifeln an der Handlungsfähigkeit des Staates und an seinen Akteur*innen. Der Glaube an das gemeinsame Ziel geht verloren, das gesellschaftliche Miteinander erodiert – und das gefährdet ganz konkret unsere Demokratie.
Und jetzt können wir mit dem Finger aufeinander zeigen, auf die politischen demokratischen Mitstreiter*innen oder auf die Verwaltung:
• Etwa auf Oberbürgermeister Markus Lewe, der diese Stadt – und hier vor allem die Verwaltung – nicht so führt, wie es gerade in diesen Zeiten notwendig wäre.
• Oder auf Stadtdirektor Paal: er hat offenbar große Probleme damit, für ausreichend Kitaplätze zu sorgen. Und er hat es nicht geschafft, sein Verwaltungspersonal so zu führen, dass der Personalmangel in den Bädern beseitigt werden konnte.
• Oder auf Stadtbaurat Denstorff, für den der öffentliche Nahverkehr und die Mobilitätswende ein vernachlässigbares Beiwerk zur Erreichung der Klimaziele zu sein scheint.
Meine Damen und Herren,
Beispiele dafür gibt es genug
• seit zweieinhalb Jahren warten wir auf das Integrierte Parkraumkonzept, das den Parkverkehr besser und auch gerechter organisieren soll.
• Seit mehr als drei Jahren werden Konzepte für Mobilstationen für einen Umstieg auf Bus und Bahn hin- und hergeschoben, aber keine wirklichen Lösungen entwickelt.
• Zu jedem Haushalt fordern wir, dass die Verwaltung in Kooperation mit den Stadtwerken den Busverkehr beschleunigen soll. Jährlich stehen 1 Mio. Euro im Haushalt bereit.
Aber, sehr geehrte Damen und Herren, Können wir durch Fingerzeig auf andere das Vertrauen der Bürger*innen zurückgewinnen?
Ist es das, was die Menschen von uns erwarten?
Ich meine nein!
Wir haben uns stattdessen gefragt: Was können wir bei einer höchst angespannten Haushaltslage tun, um zu zeigen, dass wir die Probleme im Rahmen unserer kommunalpolitischen Möglichkeiten angehen. Das war doch immer die Stärke der Kommune, das im kleinsten Bereich etwas vorangebracht werden kann.
Und genau das haben wir GRÜNE, genau das hat diese Koalition mit Partnern gemacht.
Die Gestaltung des Haushalts für das Jahr 2024 war in der Tat nicht einfach, denn die knappen Mittel haben kaum einen Handlungsspielraum gelassen.
Wichtig war es uns aber, den sozialen und ökologischen Herausforderungen dieser Zeit so zu begegnen, dass das demokratische Miteinander gestärkt wird, und wir den Bedürfnissen der Menschen in dieser Stadt gerecht werden.
• Im Kitabereich schaffen wir einen Notfalltopf für die Kita Betreuung. Wir gewährleisten damit Planungssicherheit für den Alltag von Eltern.
• Wir kümmern uns um den Bahnhofsbereich, aber nicht nur mit zusätzlichen Ordnungskräften, weil wir glauben, dass Ordnungspolitik nur im Zusammenspiel mit Sozialarbeit am besten funktioniert. Daher haben wir zusätzliche Mittel für die Stärkung der Sozialarbeit eingestellt.
• Viele freie Träger, die durch ihre wichtige Arbeit die soziale Balance in dieser Stadt absichern, unterstützen wir, weil deren Personal- und Energiekosten stark gestiegen sind.
• Und zum Thema Zuwanderung: wir müssen die Chancen, die damit verbunden sind, noch viel mehr nutzen. Denn die Mehrzahl der zugewanderten Menschen möchte hier leben und möchte arbeiten! Wir schaffen Stellen und entlasten die Verwaltung bei der Bearbeitung von Einwanderungsanträgen. Wir beschleunigen damit die Einbürgerungsverfahren für Menschen, die Bürger oder Bürgerin dieses Landes werden wollen.
Und wenn ich dann lese, dass die CDU, dass sie Herr Weber, kritisieren, dass wir zu viel Geld ausgeben, dann empfehle ich einen Blick auf die Homepage der CDU-Ratsfraktion.
Lesen Sie doch mal, was Sie und Ihre Kollegen da alles fordern: 250 Tausend Euro für den Mühlenhof ohne neues Konzept; mal eben 65.000 Tausend für ein Turnier der Profispringreiter, hier ein Kulturticket für Azubis, dort Energieausweise für sämtliche städtische Gebäude, mehr Geld für Hochbegabte. Und, wenn ich Sie und ihren OB richtig verstanden habe, wollen sie auch die Konzerthalle beim Musik-Campus aus Steuergeldern bauen.
Sparen einfordern – aber an zig Stellen mehr ausgeben wollen: Erneut erweist es sich als gut für diese Stadt, dass Sie in der Opposition sitzen.
Und: als wohnungspolitische Sprecherin finde ich es ja grundsätzlich gut, dass auch der CDU endlich aufgefallen ist, dass Münster bezahlbaren Wohnraum benötigt. Wir waren sehr gespannt auf ihre Vorschläge.
Doch was kommt da von Ihnen? Kritik, dass Grundstücke im Wert von 50 Millionen Euro noch nicht auf die Wohn- und Stadtbau übertragen sind. Das ist der einzige Punkt ihrer wohnungspolitischen Ideen?
Zur Erinnerung:
Als diese Koalition 2021 die Übertragung von 50 Mio. € beschlossen hat, hagelte es Kritik von der CDU. Und als die Kämmerin im September dieses Jahres einen Fortschrittsbericht abgab, hagelte es wieder Kritik: zu teuer, nicht geeignet, sagte da Ihr finanzpolitischer Sprecher.
Und nun geht es ihnen damit nicht schnell genug? Und übrigens, beschlossen wurde, dass die 50 Mio. € bis 2025 übertragen werden. Wir sind 2023 also voll im Zeitplan. Und außerdem bringen heute den Antrag ein, das Programm nach 2025 noch auszuweiten.
Ich kann also sagen, wenn die einzige wohnungspolitische Idee der CDU darin besteht, dass der Vorschlag der Koalition schneller umgesetzt werden soll, dann kann ich guten Gewissens sagen: Die Koalition hat die Wohnungspolitik sehr gut im Blick.
Und während Sie sich daran abarbeiten, arbeiten Menschen in Münsters Politik und Verwaltung daran, die Folgen der Klimakrise beherrschbar zu machen.
Es ist somit richtig und wichtig, dass die energetische Sanierung unserer Schulen mit deutlich mehr Geld als bisher im Haushalt 2024 verankert ist. Nur: Das darf kein Einzelbeispiel bleiben.
Wer den Bus, Rad- und Fußverkehr bevorrechtigen will, muss den Mut aufbringen, den Straßenraum neu aufzuteilen – an manchen Stellen auch zu Lasten des Autoverkehrs. An diesem Mut fehlt es leider immer noch allzu vielen in Politik und Verwaltung!
150 Meter Busspur an der Friedrich-Ebert-Straße helfen; ein autofreier Domplatz ist ein Fortschritt. Aber, wenn wir den Verkehr nicht endlich insgesamt klima- und menschenfreundlich umgestalten, dann scheitern wir.
Nur: Scheitern bei der Bekämpfung der Klimakrise ist keine Option. Hier und anderswo muss sich unsere Demokratie im aktuellen Gegenwind beweisen. Sie muss in der Lage sein, auf epochale Veränderungen zu reagieren – auch im Kleinen, auch hier in Münster.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin fest davon überzeugt, dass das gelingen kann, wenn Demokratinnen und Demokraten respektvoll und konstruktiv Lösungen erarbeiten. Seien wir hier in der Kommune ein Vorbild in diesem Ringen um den richtigen Weg. Zeigen wir den Bürgerinnen und Bürgern, dass es sich lohnt, für ein sozial und ökologisches, lebenswertes Münster zu kämpfen.
Dass wir GRÜNE dafür bereitstehen, zeigt auch der aktuelle Haushalt – für den ich um Ihre Zustimmung bitte.