Homosexuelle, Sinti* und Roma*, Zeugen Jehovas, Behinderte, arme Menschen – in Deutschland wurden zwischen 1933 und 1945 und zum Teil auch in den Jahrzehnten danach zahlreiche Gruppen verfolgt, deren Schicksale bislang selten im Fokus der Aufarbeitung lagen. Ein von allen Ratsfraktionen unterstütztes Forschungsprojekt zeichnet die Formen der Verfolgung von Münsteranern und Münsteranerinnen nun anhand beispielhafter Biographien auf.

Dazu erklärt Rita Stein-Redent, Grüne Vorsitzende des Gleichstellungsausschuss:

„Wer die eindrucksvollen Biographien auf der sehr gut aufgemachten Website der Stadt liest, dem wird schnell klar, welch grausame Folgen Faschismus und seine verbrecherische Ideologie hatte. Wer etwa arm war, unangepasst lebte oder einfach die vermeintlich Falschen liebte wurde entrechtet, aus dem Umfeld gerissen, oftmals schwer misshandelt und in vielen Fällen getötet. Das wissen viele Menschen abstrakt – aber in den münsterschen Biographien erhalten diese Opfer einen Namen, man erfährt ihre Geschichte. So werden sie deutlich sichtbarer. Gut, dass sich die demokratischen Mitglieder des Rats für das Forschungsprojekt und eine würdige Form des Erinnerns entschieden haben.“

Petra Dieckmann, kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Rathaus, regt an:

„Aus den beispielhaften Biographien können auch die heute lebenden Münsteraner*innen eine Menge lernen. Diese werden im Netz sehr eindrücklich präsentiert – unterstrichen durch die gut gelungene graphische Gestaltung der münsterschen Illustratorin Astrid Nippoldt. Neben der Netzdarstellung wäre es zudem sinnvoll, die Forschungsergebnisse einem breiten Publikum zu präsentieren – etwa mit einer Ausstellung im Stadtmuseum. Das Leid der Opfer wurde auch verursacht, weil es Denunzierende, Schreibtischtäter*innen und fleißige Helfershelfer auch in Münster zu Tausenden gab. Erst sie haben es möglich gemacht, dass verbrecherische Gesetze zu verbrecherischen Taten wurden. Oft waren dieselben Täter mit denselben Denkmustern auch nach Ende der Nazizeit in Verwaltungen, Politik, Polizei und Justiz tätig – das empfinde ich als beschämend.“

Und die Grüne Ratsfrau Anne Herbermann, friedenspolitische Sprecherin der Grünen Ratsfraktion, erklärt abschließend:

„Leider gehört die Stigamtisierung, Diskriminierung und Bedrohung von Menschen der untersuchten Gruppen nicht der Vergangenheit an, sondern ist nach wie vor aktuell. Mit großer Sorge beobachten wir aktuell ein Erstarken rechtsextremistischer Gesinnungen sowie Verlautbarungen faschistischen Ursprungs, auch bei uns in Münster. Wer Menschen – aus welchen Gründen auch immer – aus der Gesellschaft aussortiert oder Ihnen die Würde abspricht, der muss es mit dem erbitterten Widerstand aller Demokrat*innen zu tun bekommen.“

Hintergrund:

Neben der Arbeit der Stadtverwaltung gibt es in Münster auch einige gesellschaftliche Gruppen, die an „vergessene“ Opfer erinnern – etwa den Verein „Spuren finden e.V.“. Das jahrelange Wegsehen gab für Peter Schilling vom Verein den Ausschlag zur Wanderausstellung „Vergessenen begegnen“. In Kooperation mit dem Verein „Spuren Finden e.V.“ gestalteten Studierende der „Münster School of Design“ (FH Münster) unter der Leitung von Prof. Claudia Grönebaum die Ausstellung. Kernstück sind Originalquellen, die von Biografien einzelner Menschen berichten. Besuchende haben die Möglichkeit, sich zum Beispiel über Tonspuren oder interaktiv über ausziehbare Schubladen zu informieren.

Nach einer Station im Polizeipräsidium ist die Ausstellung ab morgen (08.12.) im Schulzentrum Wolbeck zu sehen.

Zur Projekt-Website der Stadt Münster: https://www.stadt-muenster.de/vergessene-verfolgte/startseite