Es gab wohl kaum ein lokales Thema in den vergangenen Monaten, über das Münster heftiger diskutiert hat als über eine Fahrradbrücke am Aasee – von der Stadtverwaltung „Flyover“ getauft. Mittwoch hat der Hauptausschuss (als Corona-Vertretung des Rats) eine Entscheidung zum Flyover getroffen. Aber welche eigentlich? Und was wurde noch beschlossen? Was ist mit der Mehrheit für unser Ratsbündnis? Fragen und Antworten.

Was hat der Hauptausschuss zum Flyover beschlossen?

Hier der komplette Beschlusstext:

• Der Rat/Hauptausschuss nimmt die durchgeführte Machbarkeitsstudie der Projektgesellschaft „Büro StadtVerkehr“ zur Kenntnis. Eine Y-Lösung wird nicht weiterverfolgt.

• Die Umwandlung der Aegidiistaße zu einer Fahrradstraße mit hoher Fußverkehrsqualität wird in das Plankonzept der Veloroutenplanung integriert. Dabei ist das Ergebnis der Fahrradnetzplanung (vgl. V/1186/2019) zu berücksichtigen.

• Das weitere Verfahren zur Realisierung eines Flyover Aegidiitor wird im Rahmen eines kurzfristig zu erstellenden Gesamtkonzeptes für den Knotenpunkt Aegidiitor (Knotenpunkt von Kanonengraben bis Stadtgraben) neu bewertet, welches eine wesentliche Verbesserung aller Wegebeziehungen der ebenerdigen Rad-, Fuß- und ÖPNV-Verkehrsführung vorsieht. Außerdem berücksichtigt das Gesamtkonzept den motorisierten Individualverkehr. Dabei werden sowohl Varianten mit als auch ohne Brückenlösung erarbeitet. Die Gesamtkonzepte, mit Berücksichtigung stadtgestalterischer und ökologischer Aspekte, sind den entsprechenden Gremien zur Entscheidung vorzulegen. Planungen, die nur einen Flyover beinhalten, sollen bis dahin pausieren.

• Die Verwaltung wird beauftragt, eine Förderung auch für die ebenerdigen Querungslösungen zu beantragen.

• Die Verwaltung wird beauftragt, den weiteren Ausbau der Veloroute 5 zu beschleunigen.

 

Und was bedeutet das jetzt?

Jetzt müssen Stadtbaurat Denstorff und seine Mitarbeiter*innen neue Pläne vorlegen. Wichtig dabei ist, dass sie endlich ein Konzept für die komplette Kreuzung vorlegen müssen. Denn: Die allermeisten Radfahrenden nutzen dort gar nicht die Strecken für die der Flyover gedacht ist (Promenade – Bismarckallee). Und viele Unfälle gab es auch auf anderen Verbindungen an der Kreuzung. Bisher wurde nur die Brücke geplant – diese einseitige Planung mit dem Fokus auf eine einzige Verbindung hat der Hauptausschuss jetzt gestoppt. Alle zukünftigen Lösungsvorschläge müssen auch Varianten ohne den Flyover enthalten. Wie die Kreuzung sicherer und komfortabler für alle Verkehrsteilnehmer*innen umgestaltet wird, entscheidet der Stadtrat, wenn er die Varianten eines Gesamtkonzepts kennt.

 

Es gab doch viel Widerstand gegen den Flyover. Warum wurde er nicht ganz gestrichen?

Einfach ein Projekt ablehnen kann jede und jeder – wir übernehmen Verantwortung dafür, dass die Verkehrssituation am Aegidiitor besser wird.
Klar ist: Wir Grünen waren, sind und bleiben skeptisch, was den Flyover angeht.
Unsere Bündnispartner haben ebenfalls Kritik am aktuellen Vorschlag, wollen aber zunächst sehen, ob der Flyover in einem passenden Gesamtkonzept nicht doch funktionieren kann.
Uns ist es sehr wichtig, dass sich die Situation an der Kreuzung verbessert. Für uns ist dabei zentral, dass es auch Planungen für den Knotenpunkt Weseler Straße/Aegidiitor ohne Flyover gibt. Wenn wir so im Herbst Planungen für alle Fahrtrichtungen der Kreuzung mit und ohne Flyover gegenüberstellen können, können wir zu dem Zeitpunkt besser informiert darüber entscheiden, ob die Kreuzung am Aegidiitor eine Brücke braucht. Wir geben dem Flyover noch eine Chance – unsere Skepsis aber bleibt.

 

Was passiert in der Aegidiistraße?

Diese Straße soll als Teil der Veloroute 5 (Innenstadt – Albachten – Senden) zu einer Fahrradstraße werden. Besonders wichtig war uns dabei, dass es eine hohe Qualität für Fußgängerinnen und Fußgänger gibt, damit de Straße nicht nur zum Radeln, sondern auch zum Flanieren, Bummeln und sich Aufhalten einlädt.

 

Aber die Koalition aus GRÜNEN, SPD und Volt hat doch gar keine Mehrheit mehr im Rat. Wie kamen die Beschlüsse dann zustande?

Mit der neuen Situation gehen wir sehr gelassen um. Fakt ist: Seit der Kommunalwahl war das neue Bündnis bislang bei keiner einzigen Abstimmung auf die so genannte Ein-Stimmen-Mehrheit angewiesen.
Im Vorfeld der Hauptausschuss-Sitzung haben wir intensiv mit den anderen Fraktionen und Gruppen diskutiert, unsere Ideen präsentiert, Gegenvorschläge angehört und Kompromisse gesucht. Am Ende haben wir mit der FDP, den Linken und der Gruppe ÖDP/Die Partei gemeinsam gehandelt und so breite Mehrheiten gefunden beim Flyover.
Und um es klar zu sagen: Unsere Koalition versteht sich von Anfang an nicht als geschlossener Klub, der einfach durchregiert. Wir suchen bei allen Themen nach Bündnis-Partner*innen und setzen auf breite Mehrheiten und sprechen regelmäßig mit allen demokratischen Fraktionen im Rat. Bislang hatten wir noch bei jeder Entscheidung Unterstützer*innen für unsere Inhalte – wir arbeiten gern daran, dass das so bleibt.

 

Was wurde noch beschlossen im Hauptausschuss?

Bislang war es üblich, dass die Stadtwerke einmal im Jahr die Buspreise erhöht haben. Das führte dazu, dass die Ticket-Preise deutlich stärker stiegen als etwa der Benzinpreis. Als Koalition haben wir vereinbart, diesen Automatismus zu stoppen. Deshalb haben wir die für den 01.01.2022 geplante Erhöhung der Buspreise abgelehnt.
Und: Wir wollen den Nahverkehr insgesamt attraktiver machen. Schnellere Busse, mehr Komfort und durch attraktive Ticket-Preise – etwa ein 365-Euro-Jahresticket. Da das aber Geld kostet, schichten wir Geld um. Das benötigte Geld soll zum Beispiel über eine Klimapauschale für das Parken, insbesondere für Gelegenheitsparker*innen, aber auch durch die Erhebung von Gebühren beim Anwohnerparken hereinkommen. Es geht dabei auch darum, Kostenwahrheit beim Autoverkehr zu erreichen.

 

Jetzt geht es also richtig los mit der Verkehrswende?

Aber hallo. Auch die Stadtverwaltung ist auf diesem Weg und hat spannende Verkehrsversuche für diesen Sommer vorgeschlagen. Diese unterstützen wir – etwa die Busspur vom Kreisel bis zur Haltestelle Eisenbahnstraße, die Vorfahrt für Radler*innen auf der Promenade am Neutor und die Sperrung der Hörsterstraße für den Durchgangsverkehr. Mit einem Änderungsantrag haben wir erreicht, dass die Stadtverwaltung prüft, wie Linien 6 und 8 auch weiterhin die Altstadt erreichen können. Hier ist die Stadtverwaltung jetzt nochmal am Zug, um nicht ganze Stadtteile von der City abzukoppeln.

 

Gab es weitere wichtige Beschlüsse?

Natürlich. So kommt etwa eine große Kita ins ehemalige Hauptzollamt an der Sonnenstraße. Wir sorgen dafür, dass dort kein Verkehrschaos ausbrechen wird. Außerdem haben wir einen Antrag eingebracht, nachdem künftig in der Altstadt Solaranlagen nicht mehr grundsätzlich verboten sein sollen. Es gab wichtige Beschlüsse zum Stopp der Gentrifizierung im Hansaviertel, was mit den Schlamm-Resten aus unseren Kläranlagen passiert, zur Förderung der Stadt- und Stadtteilzentren. Und: wir haben beschlossen, dass die Stadt die Elternbeiträge für Kita und OGS komplett erlässt, wenn der Betrieb eingeschränkt ist. Allerdings muss dazu das Land NRW endlich seinen 50%-Anteil an diesen Kosten übernehmen. Dazu hat der Hauptausschuss die CDU/FDP-Landesregierung jetzt erneut aufgefordert.