Unsere Fraktionssprecherin Sylvia Rietenberg hat am Mittwoch (17.03.) die Haushaltsrede für die GRÜNE Fraktion gehalten. Hier die Rede zum Nachlesen im Wortlaut.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

es freut mich, dass ich für meine Fraktion Stellung zum eingebrachten Haushalt nehmen darf – der diesmal unter besonderen Vorzeichen steht. 

Niemand, wirklich niemand hätte beim Jahreswechsel 2020 für möglich gehalten, was in den nächsten Monaten passieren würde. Diese Pandemie hat alles verändert und uns alle mit Wucht getroffen. Aber wie immer in Krisen, hat es die Schwächsten am härtesten getroffen:

  • Die alten Menschen, die über Wochen ohne Kontaktmöglichkeiten zu ihren Angehörigen in Pflegeheimen ausharren mussten.
  • Die Kranken, die nicht besucht werden durften, vielleicht sogar alleine sterben mussten.
  • Die Wohnungslosen, die kein Dach über dem Kopf haben und für die der Satz „Bleiben Sie Zuhause“ eine ganz spezielle Bedeutung hat.
  • Es sind die Eltern oder Alleinerziehenden, die in ihrer kleinen Wohnung zusätzlich zum Homeoffice ihre Kinder betreuen und dabei viel Langeweile und Frust unter einen Hut bringen müssen.
  • Es sind all diejenigen, die seit Corona nicht mehr wissen, wie sie sich wirtschaftlich über Wasser halten sollen:
    • All die Selbständigen in Gastronomie, Kultur, Kleingewerbe und Einzelhandel.
    • Menschen, die keine Arbeit mehr haben, weil ihr Betriebgeschlossen wurde.
    • Studierende, die nicht mehr wissen, wie sie ihr Studium finanzieren sollen.

Dank an alle Münsteraner*innen

Aber auch wir in der Kommunalpolitik befinden uns seit vielen Monaten im Ausnahmezustand: zwischen digitalen Konferenzen, abgesagten Sitzungen und Not-Hauptausschüssen. Diese Krise verlangt uns allen viel Geduld ab und um es mal mit den Worten der Kanzlerin zu sagen: „Corona ist eine Zumutung für die Demokratie.“

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es uns in Münster im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen und Kreisen noch vergleichsweise gut geht. Dies hat sicher auch mit der guten Arbeit des Krisenstabes der Verwaltung zu tun. Hierfür an dieser Stelle ein besonderes Dankeschön an Herrn Heuer und Herrn Lewe für ihren Einsatz sowie an alle Verwaltungsmitarbeiter*innen, die dazu beigetragen haben, dass Münster diese Krise bisher so gut gemeistert hat.

Ein weiterer großer Dank gilt aber auch allen Menschen in dieser Stadt, die mit ihrer Arbeit, ihrem Einsatz jeden Tag dafür sorgen, dass Kinder notbetreut werden können, dass der Schulunterricht weitergeführt wird, dass obdachlose Menschen mit dem Notwendigsten versorgt werden, dass Pflege und medizinische Versorgung gut funktionieren. Ein Dank auch an alle, die dazu beitragen, dass bald alle Bürger*innen, die sich impfen lassen wollen, auch geimpft werden können. 

Kurzum: Herzlichen Dank an all die Münsteranerinnen und Münsteraner, die dazu täglich ihren Dienst leisten, an die Bürger*innen dieser Stadt, die sich an die Regeln halten und dadurch aufeinander achten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Vor knapp sechs Monaten haben in dieser Zeit der Zumutungen die Kommunalwahlen stattgefunden. Viele Beobachter dachten, in Corona-Zeiten sei kein Platz für politische Kontroversen. Das Gegenteil war der Fall. Die Menschen in Münster haben ein klares Votum abgegeben: Für den Klimaschutz, für Nachhaltigkeit, für ein noch lebenswerteres und gerechteres Münster. Wir stellen uns dieser Verantwortung, wir nehmen den Auftrag der Wähler*innen sehr ernst. 

Wir sehen uns aber genauso in der Verantwortung für die Münsteraner und Münsteranerinnen, die uns im September 2020 nicht gewählt haben. Es geht uns darum, gemeinsame Ziele zu finden und in der Sache neue Bündnisse zu schmieden. Ich bin mir sicher: Auch wer eine andere demokratische Partei gewählt hat, will das Beste für unsere Stadt. Lassen Sie uns diskutieren – und zivilisiert dafür streiten, gemeinsam unsere Stadt noch ein Stück besser zu machen.

Schwerpunkte des Haushalts

Dies ist nun der erste gemeinsame Haushalt im neuen Ratsbündnis meiner Fraktion mit SPD/Volt. Wir freuen uns sehr, jetzt zusammen ein neues Kapital aufzuschlagen.

An dieser Stelle möchte ich mich aber doch noch bei der CDU-Fraktion für vier Jahre konstruktive und verlässliche Zusammenarbeit bedanken. Wir haben einiges Gutes für diese Stadt auf den Weg gebracht, auch wenn es dann am Ende nicht mehr gepasst hat.

Ich will ihnen nun in der gebotenen Kürze die drei Hauptthemen nennen, mit denen wir Münster für die Zukunft aufstellen werden. 

1. Zukunftsfähigkeit durch nachhaltiges Haushalten

Meine Damen und Herren, 

noch nie war ein Haushaltsjahr so schwer planbar wie das kommende. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind für uns alle sehr schwer vorhersehbar. Klar ist schon jetzt: Die Haushaltssituation wird auch in den kommenden Jahren herausfordernd sein. Umso wichtiger; alle Ausgaben müssen auf den Prüfstand: 

  • Schaden sie dem Klima?
  • Nutzen sie dem Zusammenhalt in unserer Stadt?
  • Machen sie Münster lebenswerter, nachhaltiger und zukunftsfester?
  • Und: Wie entstehen finanzielle Räume für die dringend nötigen Investitionen? 

Denn klar ist auch: Eine Stadt kann sich nicht auf dem Erreichten ausruhen. In den kommenden Jahren werden wir massiv investieren müssen, um Münster zukunftsfähiger zu machen. Klimafreundlicher, digitaler, menschenfreundlicher, attraktiver für Gäste.

Unsere Politik ist daher in besonderer Weise darauf ausgerichtet, den städtischen Haushalt so zu gestalten, dass die Ausgaben sich an den realen Bedingungen und an erwartbaren Einnahmen orientieren. Das heißt, wir müssen den Mut haben, bisherige Selbstverständlichkeiten auf den Prüfstand zu stellen und wir haben dies in unseren Verhandlungen sorgfältig abgewogen. Dies gilt für alle Bereiche.

Wir haben am Ende wichtige Entscheidungen getroffen, mit denen wir eine Haushaltssicherung vermeiden konnten. Dies sehen wir auch als unsere Aufgabe der nächsten Jahre. 

Denn nachhaltiges Haushalten bedeutet auch: Mit den Möglichkeiten der Gegenwart in eine bessere Zukunft zu investieren.

2. Die Corona Krise ist auch eine soziale Krise. 

Wir wollen und dürfen nicht zulassen, dass die Schwächsten für diese Krise zahlen.

Daher sorgen wir dafür, dass trotz der Corona-bedingten angespannten Haushaltslage die soziale Arbeit und Leistung gestärkt und die Unterstützung der Menschen vor Ort mit mehr als 600.000 Euro pro Jahr zusätzlich ausgebaut werden kann. Wir wollen, dass die Stadtgesellschaft zusammenhält und gesellschaftliche Teilhabe für alle möglich ist.

Die Mittel im Kinder- und Jugendbereich werden weiterhin aufrechterhalten, teilweise sogar ausgeweitet, um den Kinderschutz zu stärken.

Bildungsgerechtigkeit ist für uns eine Zukunftsfrage. Sie darf nicht eine Frage des Geldbeutels sein. Deshalb haben wir 6 Mio. Euro für die Ausstattung der Schüler*innen und Schüler mit digitalen Endgeräten in den Haushalt eingestellt.

Mit dem Corona-Notfallfonds stellen wir 1 Mio. Euro für die freie Kulturszene zur Verfügung, damit Künstler*innen und Kulturschaffende weiter die für unsere Gesellschaft so wichtige Arbeit leisten können.

Aber auch die Schaffung bezahlbaren Wohnraums gehört zu den 

wichtigsten Zukunftsfragen unserer Stadt. Deshalb werden wir die kommunale Wohnungsgesellschaft „Wohn- und Stadtbau“ stärken. Mit dem Wegfall der Gewinnabführung an den städtischen Haushalt und zur Schaffung weiterer bezahlbarer Wohnungen in Münster werden wir durch die Einlage von Grundstücken das Eigenkapital in Höhe von 50 Mio. Euro erhöhen und damit in den kommenden Jahren die Schaffung bezahlbarer Wohnungen voranbringen.

3. Zukunftsfähigkeit durch Klimaschutz

Die Corona-Krise hat die Klimakrise in der öffentlichen Wahrnehmung vielleicht verdrängt, aber sie hält sie nicht auf. Die Klimakrise ist da und Münster hat sich über die Parteigrenzen hinweg das Ziel gegeben, diese Stadt bis 2030 klimaneutral zu machen. 

Wir sehen es als eine unserer Hauptaufgaben und Verpflichtung an, den kommunalen Klimaschutz ernsthaft voran zu treiben. Dafür werden wir Jahr für Jahr mehr Geld investieren müssen. 

Klimaschutz muss in der Stadtverwaltung zukünftig einen sehr viel höheren Stellenwert besitzen und als Querschnittsaufgabe bei jeder politischen Entscheidung berücksichtigt werden. Dafür richten wir eine Stabsstelle ein, die alle städtischen Klimaschutz-Aktivitäten bündelt und eine „Klimaneutralitätsstrategie“ erarbeitet. 

Wir werden in den kommenden Jahren mehr städtische Gebäude sanieren und so den Energiebedarf erheblich senken. Dafür haben wir für die nächsten 4 Jahre zusätzliche 16 Mio. Euro in den Haushalt eingestellt.

Wir werden in den nächsten Jahren die Verkehrswende praktisch 

umsetzen und uns von so manchem Straßenbau-Projekt verabschieden. Damit fangen wir in diesem Haushalt an. So haben wir Projekte wie den Ausbau des Kolde-Rings gestrichen. 

Wir finanzieren gezielt Maßnahmen, die die Mobilitätswende möglich machen: 

  • Wir investieren in den Umbau von Straßen, wie Hammer Straße, Aegidiistraße, Domplatz und Pferdegasse
  • Wir treiben die Planungen mit Mobilstationen, Busbahnhof und Münsterland S-Bahn voran und stärken den ÖPNV
  • Wir beschleunigen den Ausbau der Velorouten und stärken die Qualität des Radwegenetzes und die Radinfrastruktur insgesamt.

Meine Damen und Herren,

unser Koalitionsvertrag hat den Titel „Ökologisch – Gerecht – Progressiv“ erhalten. Das heißt:

Wir nehmen die Klimakrise ernst und werden alles tun, was auf kommunaler Ebene möglich und erforderlich ist, um hier gegenzusteuern.

Wir haben alle Menschen im Blick und engagieren uns für eine Stadtgesellschaft, die sozial und gerecht ist.

Wir denken in die Zukunft, damit die Generationen nach uns nicht die Lasten unserer Versäumnisse tragen müssen.

Vielen Dank!