Am letzten Montag sprach sich die Mehrheit in der SPD-Ratsfraktion für einen schwarzroten Haushalt aus. Unser Fraktionssprecher Hery Klas hat für die maz folgenden Artikel dazu verfasst:

Trouble in town

„Wer hat uns verraten? Die…!“

Bekanntlich hat die SPD-Münster im Dezember 2009, sechs Wochen nach einem schrillen rot-grünen Kommunalwahlkampf, mit der CDU eine schwarz-rote Haushalts-Koalition gebildet und den neuen, noch unerfahrenen CDU-Oberbürgermeister vor der ersten Blamage bewahrt. Die SPD titulierte ihre Fahnenflucht damals als die Bildung einer „Verantwortungsgemeinschaft“ mit der CDU. Dabei war der seiner Zeit vorgelegte Haushalt so ziemlich Alles – nur kein Zeichen von Verantwortungsbewusstsein! Denn er wies ein für Münster bis heute unübertroffenes Defizit von 88,8 Mio. € auf und nur finanzpolitische Blindgänger oder eben regierungsgeile Sozialdemokraten konnten auf die Idee kommen, diesem trüben Machwerk zuzustimmen.
Immerhin verkündete die SPD damals, dieser staatstragende Akt sei keineswegs das Ende des „Sixpacks“, also der Zusammenarbeit von SPD, GRÜNEN, Linke, Piraten, UWG und ÖDP. Dieses Bündnis hatte sich nach der Kommunalwahl zusammengefunden und wichtige, zukunftsweisende Beschlüsse auf den Weg gebracht – wie den Ausstieg aus dem Hammer Pleite-Kohlekraftwerk oder die Einführung eines „Münsterpasses“, der Sozialschwachen Vergünstigungen im ÖPNV oder bei Kultureinrichtungen gewährt. Ich weiß heute nicht mehr, wieso wir uns damals diese schizophrene Argumentation der SPD überhaupt gefallen ließen. Vermutlich überdeckte das zum Teil persönlich gute Verhältnis zu einzelnen Mitgliedern der SPD-Ratsfraktion den Zweifel an der Redlichkeit der SPD-Spitze. Der Rest ist bekannt. Im Dezember 2010 hielt die SPD das Sixpack bei den Haushaltsberatungen so lange mit Ausflüchten hin, bis sie ein erneutes Koalitionsabkommen mit der CDU unter Dach und Fach hatte. Darin enthalten ein Karriereversprechen für den SPD-Fraktionsvorsitzenden, der heute als Personaldezernent monatlich per Gehaltsabrechnung Dankes-grüße von der CDU erhält. Zu dem Geschäft gehörten noch etliche Absprachen über ein peinliches  Postengeschiebe in der Stadtverwaltung. Danach herrschte Eiszeit zwischen uns und der SPD.
Zu Beginn diesen Jahres kam der neue SPD-Fraktionschef Holger Wigger auf mich zu. Er bat um vertrauliche Gespräche, um das rot-grüne Verhältnis wieder zu kitten. Ziel der SPD sei es, sich rechtzeitig vor den nächsten Kommunalwahlen von der CDU zu trennen, um glaubwürdig einen rotgrünen Wahlkampf  führen zu können. Wir vereinbarten interne Arbeitsgruppen in den Bereichen Bildung, Wohnungsbau und Stadtplanung, um mit gemeinsamen Initiativen den Bruch der SPD mit der CDU öffentlich nachvollziehbar zu machen. Die in manchen Fachausschüssen nie erlahmte Freundschaft einzelner Akteure auf beiden Seiten, das unsägliche Verhalten der CDU beim Bürgerentscheid zum Schlossplatz und ein gemeinsamer Landtagswahlkampf befeuerten die Hoffnung auf einen Neuanfang. Zeitgleich tauchten bei uns erste Zweifel an der Ernsthaftigkeit der neuen SPD-Linie auf. Die vereinbarten Gespräche endeten mit wenig greifbaren Ergebnissen. Gab es mal solche,sollten diese erst durch die SPD-Fraktion durch und versandeten auf diesem Weg im Nirgendwo. Auf jedes vereinbarte Treffen kamen drei Absagen der SPD. Andererseits soll nicht verschwiegen werden, dass im Umfeld dieser „Annäherung“ einzelne hoffnungsvolle Beschlüsse gegen die CDU durchgesetzt werden konnten. Hier sei als Beispiel die flächendeckende Einführung von Tempo 50 im Stadtgebiet genannt.
Daher war klar, dass nun bei der Haushaltsaufstellung für das Jahr 2013 die Nagelprobe auf den Lagerwechsel der SPD kommen würde. Da die schwarz-rote Finanzpolitik der letzten drei Jahre die Stadtfinanzen endgültig zerrüttet hatte, stand die Konsolidierung der Stadtkasse und die Vermeidung der Kommunalaufsicht an erster Stelle der politischen Agenda. An einem Sanierungskurs lässt sich eben recht gut klar machen, wie es die Sanierer mit sozialer Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit wirklich halten?
Dir Haushaltsgespräche ließen sich gut an! Die SPD verlangte von allen Beteiligten eine Zusicherung, nicht nur bei einzelnen Aspekten zusammen zu arbeiten, sondern das Ziel zu verfolgen, einen gemeinsamen Haushalt durch den Rat zu tragen. Nur die „Linke“ tat sich anfänglich mit einer solchen Botschaft schwer, da sie zumindest in ihrer Mitgliedschaft relativ zerrissen ist und relevante Kräfte einer Fundamentalopposition das Wort reden. Wir GRÜNEN legten daher schnell einen eigenen Haushaltsentwurf vor, der das städtische Defizit bereits für 2013 von über 70 Mio.€ auf unter 20 Mio. € drückt und bereits in 2016 wieder in schwarzen Zahlen landet – ohne dass die freien Träger und sozialen wie kulturellen Initiativen mit dem Rotstift gequält werden. Ein Treffen mit einer Verhandlungsdelegation der „Linken“ ergab, dass der Grüne Entwurf eine konstruktive Grundlage für gemeinsame Etatberatungen sei. Wie von uns beabsichtigt avancierte unser HH-Plan zur bestimmenden Grundlage der weiteren Verhandlungen, da auch die SPD vorgab, noch über  keine eigenen beratungsfähigen Papiere zu verfügen. In der Folge begann ein stressiger Verhandlungsmarathon, da die Abstimmung zwischen sechs Parteien in der Tat zeitraubend ist. Zu diversen Treffen kamen unzählige Stunden von Protokollabgleichen und Detailklärungen vor Allem zwischen dem Grünen und Roten Fraktionsbüro. Immerhin konnten wir uns in gut 400 Einzelpunkten und einer ganzen Reihe strategischer Begleitanträge einigen. Vor allem das fachliche Zusammenspiel zwischen uns und der SPD verlief fast reibungslos. Das freundliche Klima wurde nur durch Zeitungsmeldungen getrübt, die immer wieder von einer „Einigung“ zwischen SPD und CDU wissen wollten. Mehrere Nachfragen von uns und aus dem Sixpack beantwortete die SPD mit der Versicherung, sie sei ausschließlich auf einen Sixpackhaushalt aus. Ein Höflichkeitsbesuch bei der CDU sei schon deswegen ergebnislos geblieben, weil diese hoffnungslos mit anderen Dingen (Kür des Bundestagskandidaten) beschäftigt sei. Dann ging alles ganz schnell:

  • Am 19.11. trafen alle Sixpackpartner zusammen, um über offene Fragen zu verhandeln. Die „Linke“ problematisierte erneut die Erhöhung der Grundsteuer B , was zu aller Erstaunen die SPD zum Anlass nahm, die Verhandlungen abzubrechen. Dabei war bereits zu diesem Zeitpunkt klar, dass die linken Verhandlungsführer bereit waren, diesen Punkt aufzugeben.
  • Am 25.11. traf man sich erneut im SPD-Büro. Erneut betonten GRÜNE und SPD, dass die Erhöhung der Grundsteuer B um 60 Punkte Kernstück des Sanierungskurses bleibe. Die „Linke“ fragte noch einmal schüchtern an, ob 50 Punkte nicht auch genug sei. Das wurde gemeinsam zurückgewiesen. Der Tag endete mit einem dicken, abgestimmten Haushaltspaket, das am nächsten Tag von allen Fraktionen abgesegnet werden sollte. Alle waren froh und zuversichtlich, dass das Bündnis stehe.
  • Am 26.11. klärte ich mit Michael Jung von der SPD nachmittags letzte Petitessen und legten noch einen Höflichkeitsbesuch bei der FDP ein. Wir gingen auseinander mit der Gewissheit, das Werk sei vollbracht. Die anschließende Fraktionssitzung der GRÜNEN stimmte einstimmig dem vorgelegten Verhandlungsergebnis zu.
  • Am gleichen Abend rief mich der SPD-Fraktionsvorsitzende Wigger an und teilte mir mit, seine Fraktion habe sich für eine Haushaltsgemeinschaft mit der CDU entschieden.

Nicht nur wir GRÜNE, auch UWG, ÖDP, Piraten und „Linke“ waren völlig überrascht. Denn die Entscheidung der SPD für die CDU kann mit den jeweiligen Beratungsergebnissen kaum zusammenhängen. Ein gemeinsames HH-Papier von CDU und SPD existiert bis heute, 6 Tage später noch nicht – wie Schwarz-Rot gegenüber der erwartungsfrohen Verwaltung zugeben musste. Ein vermutlich geschätzter Konsolidierungseffekt von 16,5 Mio. €, den Schwarzrot gegenüber der Presse für sich reklamierte, kann auch nicht der Grund für den begangenen Vertrauensbruch sein. Das Ergebnis des Sixpack liegt bei weitem besser bei der Schließung des Defizits. Überraschend auch, dass die SPD sich mit der CDU auf ein Anhebung der Grundsteuer B um lediglich 20 Punkte einigte. Gegenüber der „Linken“ war der SPD  jede Lösung unterhalb von 60 Punkten Grund genug, den Saal zu verlassen.
Aus heutiger Sicht hatten Teile der SPD nie vor, die Koalition mit der CDU aufzugeben. Zitat: „Die sind viel einfacher zu behandeln. Die haben in der Regel keine eigene Fachmeinung! Schon gar nicht verhandeln sie in der Sache so hart wie Ihr GRÜNEN!“ Das braucht- denke ich – keinen Kommentar!
Hery Klas