Die Initiative Verkehrswende Münster ist schon seit einigen Jahren unterwegs im Kampf für begehbare Gehwege im Kreuzviertel. Mit verschiedenen Aktionen gegen Fahrradschrott, ordnungswidrig parkende Autos und auch gegen ordnungswidrig abgestellte Müllbehälter hat sie von sich Reden gemacht. Nun hat sie mit einer Blumenkübelaktion gegen falsch parkende Autos für Aufsehen gesorgt und hat Genehmigungen für 15 Blumenkübel bei der Stadt Münster beantragt. Unser Kreisverbandssprecher Jörg Rostek hat Stefan Tigges von der Intiative einige Fragen zur Aktion gestellt. Viele in Münster bewegt nun sicherlich die Frage: “Darf ich auch die Aufstellung von Blumenkübeln auf Gehwegen beantragen, wenn meine Lebensqualität durch falsch parkende Autos beeinträchtigt wird?”
1. Jörg Rostek: Hallo Stefan, danke, dass du dich für ein kurzes Interview zur Verfügung stellst. Beschreibe doch bitte kurz, womit ihr als Initiative Verkehrswende in Münster jüngst für Aufsehen gesorgt habt?
Stefan Tigges: Kurz gesagt haben wir unangemeldet “Gehwege sind keine Parkplätze”-Blumenkübel auf Gehwegen aufgestellt.
2. Was habt ihr damit beabsichtigt?
Damit haben wir genau das erreicht, was wir wollten: Dass die leidige Situation auf den Gehwegen zumindest einmal diskutiert wird. Unser Ziel ist es, die Gehwege im Kreuzviertel besser bzw. überhaupt wieder begehbar zu machen. Und da gibt es viel zu tun, denn aktuell stehen in großer Zahl Autos und Müllbehälter ordnungswidrig auf den Gehwegen. Zudem vermüllt nicht weggeräumter Fahrradschrott Gehwege und vorhandene Fahrradabstellanlagen.
3. Wie waren die Reaktionen von Presse und Öffentlichkeit?
Aus meiner Sicht erwartbar zwiespältig. Einerseits wird das vermeintliche Anrecht auf einen privaten Laternenstellplatz für Autos, gerne auch zu Lasten anderer, schwächerer Verkehrsteilnehmer*innen, von vielen Pressevertretern*innen und vor allem auch von vielen Parkenden immer wieder betont. Andererseits gab es auch sehr viel Lob und Anerkennung für unsere Aktion.
4. Gibt es nicht einen rechtlichen Unterschied zwischen parkenden Autos und Blumenkübeln? Ähneln Blumenkübel nicht eher Werbeaufstellern oder Parkbänken?
Doch, den gibt es. Das Auto ist, wenn es ordnungsgemäß angemeldet ist, versichert, der Blumenkübel hingegen nicht. Anders ausgedrückt: Fährt oder läuft jemand gegen ein ordnungswidrig parkendes Auto kann die Stadt bzw. die Polizei schnell herausfinden, wem das Auto gehört, und auf dessen Haftpflichtversicherung zugreifen. Das ist bei einem Blumenkübel nicht möglich. Das ist der Grund, warum man für die Aufstellung von Blumenkübeln, Parkbänken etc. richtigerweise eine Genehmigung braucht.
5. Warum parken eurer Meinung nach eigentlich so viele Menschen falsch und blockieren so Gehwege?
Kurz gesagt: Wer heute ein Auto kauft, glaubt, damit automatisch eine Abstellfläche dazuzubekommen. Im schlimmsten Fall benötigt er einen Bewohnerparkausweis. Der ist aber faktisch fast kostenlos. Und bei Kostenlosigkeit eines Gutes kommt es immer zur Übernutzung. Wenn die Parksuchenden dann noch vor der Wahl stehen: Abstellen auf dem Gehweg oder nicht, entscheidet sich eine Vielzahl für den eigenen Nutzen. Dass damit andere behindert werden, wird ausgeblendet oder einfach mit “Auf den verbleibenden 90 cm kann man doch bequem gehen” klein geredet. Niemand kauft sich ein Pferd oder ein Schiff, ohne sich über einen Abstellplatz Gedanken zu machen und die Kosten hierfür einzukalkulieren. Beim Auto ist das aber leider so. Wir brauchen hier klare Ansagen.
6. Wie beurteilt ihr eure Aktion? Als erfolgreich?
Leider ist die Verwaltungsspitze von Münster seit Jahren sehr erfolgreich, wenn es darum geht, gegenüber Parksünder*innen aller Art ein Auge zuzudrücken. Entsprechend sehen viele Straßen im Kreuzviertel aus. Und leider hat sich mit unseren Aktionen noch nicht so viel verändert. Erfolg haben heißt für mich nicht, in der Zeitung zu stehen. Unsere Aktionen waren bzw. wären erfolgreich, wenn sich etwas tatsächlich verändert. Das kann nach meinem festen Eindruck nur dann entstehen, wenn an der Spitze der Verwaltung, unterstützt mit einer parlamentarischen Mehrheit, ein Kurswechsel veranlasst wird. Anders gesagt: Wir brauchen unbedingt einen Oberbürgermeister bzw. eine Oberbürgermeisterin, der/die das Thema ernst nimmt und nicht einfach aussitzt. Ich setze hier auf die nächste Kommunalwahl: Wenn hier ein Wach- und Mentalitätswechsel gelingt, gibt es etwas Hoffnung. Ansonsten spielen wir weiter Verwaltungs-“Ping-Pong”. Also nette Ballwechsel, aber ohne echtes Ergebnis.
7. Was passiert jetzt? Was habt ihr als nächstes in Sachen Blumenkübel vor?
Aktuell sind wir dabei, die Blumenkübel genehmigungsfähig zu machen. Also zu beschweren, zu erhöhen etc. Und dabei warten wir auf die Genehmigung, 15 Blumenkübel in der Maximilianstraße, an der Nordstraße und an der Hedwigstraße aufstellen zu dürfen. Aber es ist und bleibt das Problem, dass eigentlich das Ordnungsamt für die Sicherung der Gehwege verantwortlich ist. Deren Untätigkeit müssen wir jetzt mit Spendengeld und Blumenkübeln ausgleichen. Richtig wäre es, konsequent mit geeigneten Maßnahmen gegen ordnungswidriges Gehwegparken vorzugehen.
8. Können grundsätzlich alle Bürger*innen beantragen, einen Blumenkübel auf Gehwegen aufzustellen?
Ja, das kann jeder bzw. jede machen. Aber dafür braucht es eine Genehmigung vom Ordnungsamt. Und dafür braucht es eine gute Begründung, zudem müssen diverse Vorgaben eingehalten werden. Also z.B. eine Mindesthöhe etc. Es wäre toll, wenn viele unsere Aktionen dazu nutzen würden, Gehwege, die sonst als Parkfläche missbraucht werden, so “freizusperren”.
9. Wie kann man euch unterstützen?
Die gewählten Vertreter*innen im Rat können in unserem Sinne tätig werden. Außerdem brauchen wir Geldspenden, um Aktionen und damit eventuell verbundene Gerichtskosten zu bezahlen. Ansonsten möchten wir natürlich weitere Blumenkübel aufstellen. Dazu brauchen wir Geld und Sponsoren. Einige haben wir auch schon gefunden. Weitere fünf Blumenkübel sind derzeit in der Produktion.
Danke für das Gespräch!
Hier geht’s zum Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zum Aufstellen von Blumenkübeln