Betongold: Umwandlung von Miet- in EigentumswohnungenIm folgenden hat GAL-Ratsherr Gerhard Joksch die Position der grünen Ratsfraktion  zusammengefasst:
Was kann die Milieuschutzsatzung, was kann sie nicht?
Durch eine „Milieuschutzsatzung“ (§ 172 Baugesetzbuch) können Gemeinden

  • Bauvorhaben zur Luxusmodernisierung,
  • Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und
  • den Abbruch von Wohnraum oder die Umwandlung in Büro, Gewerbe etc.

in einem bestimmten Teil des Gemeindegebiets verhindern bzw. unter Genehmigungsvorbehalt stellen, wenn dadurch die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in diesem Gebiet erhalten werden kann.
„Normale“ Modernisierungen sowie den Verkauf von Wohnungen an die bisherigen Mieter oder an Verwandte des Eigentümers kann die Milieuschutzsatzung nicht verhindern. Die Versagung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist außerdem auf max. 5 Jahre befristet.
Auch gegen Mieterhöhungen im Wohnungsbestand, gegen überdurchschnittlich hohe Mieten bei der Erstvermietung von Neubauwohnungen und gegen extrem hohe Mietnebenkosten ist die Milieuschutzsatzung machtlos.
Die Anwendung der Satzung und damit die Versagung von Genehmigungen setzt zudem voraus, das die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung „aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll“ (§ 172, 4 Baugesetzbuch). Beispiele: Die Verdrängung der Wohnbevölkerung beeinträchtigt die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Infrastruktur oder führt zu zusätzlichem Infrastrukturbedarf an anderer Stelle. Allgemein formuliert: Die Gemeinde muss wegen der Änderung des „Milieus“ städtebauliche Folgelasten tragen. Trifft das nicht zu, fehlt es an der Begründung für die Versagung und an der Ermächtigung für die Aufstellung einer Milieuschutzsatzung.
Daraus folgt: Nur wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung sich tatsächlich verändert, dies wesentlich auf die o.g. Maßnahmen zurückzuführen ist und die Gemeinde deshalb städtebauliche Folgelasten tragen muss, ist die Milieuschutzsatzung anwendbar. Die Gemeinde muss konkret nachweisen, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, reine Vermutungen oder Annahmen reichen nicht aus.
Situation in Münster
Unstrittig ist, dass die Kosten des Wohnens stark ansteigen. Wesentlicher Treiber für die Kostensteigerung im Bereich der Mietwohnungen sind die Mieten in Neubauwohnungen. Bei Neuvermietungen in guten Lagen können Vermieter Kaltmieten von 10 bis 15 Euro problemlos durchsetzen. Die Bestandsmieten steigen demgegenüber nur langsam an.
Unstrittig ist auch, dass die Modernisierung von Wohnungen im Wohnungsbestand mit der anschließenden Umlage der Kosten auf die Mieter die Wohnkosten in die Höhe treibt.  Bis zu 11 % der Modernisierungskosten dürfen auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden.
Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen spielt in Münster bislang keine große Rolle. Z.B. liegt die Zahl der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen im Bereich des Stadtbezirks MS-Mitte bei rd. 100 Wohnungen pro Jahr. Gemessen an den rd. 71.000 WE im Stadtbezirk MS-Mitte sind das weniger als 0,2 %.
Wesentlich zahlreicher sind dagegen Neubauten von teuren und sehr teuren Eigentumswohnungen. Der Verkauf dieser Wohnungen erlaubt schnelle und hohe Renditen, die durch die Wohnungsvermietung nicht erreicht werden können.
Die Frage ist, ob diese Entwicklung mithilfe der Milieuschutzsatzung gestoppt werden kann, beantwortet die Verwaltung deshalb mit nein:
Die Satzung ermächtigt die Stadt nicht dazu, Bauherren zu verpflichten, Miet- statt Eigentumswohnungen zu errichten,

  • es gibt in Münster kein Stadtgebiet, in dem Luxusmodernisierungen grassieren, die den Umfang normaler Modernisierungen wesentlich übersteigen,
  • die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen oder die Umwandlung von Wohnungen in Nichtwohnnutzungen hat in keinem Stadtgebiet so zugenommen, dass sich dadurch die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung merklich verändert und
  • es gibt auch keine signifikanten städtebaulichen Folgewirkungen, die die Gemeinde zu verkraften hätte.

Die Satzung ginge am Kern der Wohnungsprobleme vorbei. Sie wäre deshalb auch nicht rechtssicher zu begründen, weder im Hansaviertel, noch in Mauritz oder in anderen Aufwertungsgebieten der Innenstadt.
Für das Gegenargument, dass die Verwaltung gar nicht wisse was tatsächlich passiert, gibt es keinen Beleg. Die Stadt nutzt mehrere Instrumente, um wohnungswirtschaftliche und sozialstrukturelle Veränderungen im Stadtgebiet rechtzeitig erkennen zu können. Beispielsweise

  • die kleinräumige Bevölkerungsstatistik, die Zu- und Wegzüge dokumentiert,
  • die Anträge auf Abgeschlossenheitserklärung, die bei der Begründung von Teileigentum gestellt werden müssen,
  • Unterlagen von Bauanträgen, die bei umfangreichen Modernisierungen und bei Nutzungsänderungen erforderlich sind und
  • den Mietspiegel, der Mietverträge stadtweit auswertet.

Im Ergebnis „liegen der Verwaltung  mit dem Fokus auf die Stadtteile bisher keine belastbaren Erkenntnisse zu einzelnen Quartieren über signifikante Verdrängungsphänomene in Form einer geänderten  Zusammensetzung der Wohnbevölkerung oder eine systematische Verdrängung der Bewohnerschaft vor, die damit verbundene städtebauliche folgen erwarten lassen und somit den Erlass einer Satzung begründen würden“ (Vorlage der Verwaltung an den Rat – V/0481/2017). Auch eine im Jahr 2015 angefertigte Masterarbeit mit der Fragestellung, ob in Münster Verdrängungsprozesse laufen, die mittels Milieuschutzsatzung bekämpft werden können, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis   („Urbane Wohngebiete zwischen Aufwertung und Verdrängung – eine Untersuchung zur Prüfung der Notwendigkeit und der Einsatzmöglichkeiten Sozialer Erhaltungssatzungen am Beispiel der Stadt Münster“).
Perspektiven
Unstrittig ist, dass das Einwohnerwachstum der Stadt zu steigenden Wohnkosten und zu  sozialstrukturellen Veränderungen führt. Die Stadt muss alle in Betracht kommenden Instrumente nutzen, um diese „Wachstumsprobleme“ zu bekämpfen.
Als wohnungspolitische Instrumente kommen hier neben dem Verbot der Zweckentfremdung und anderer Instrumente der Wohnungsaufsicht insbesondere die „Sozialgerechte Bodennutzung der Stadt Münster – SOBOMÜ“ sowie der Bau von öffentlich geförderten und damit preisgebundenen Wohnungen in Betracht.
Als städtebauliche Instrumente sind Bebauungspläne zur Innenentwicklung und zur Schaffung neuer urbaner Baugebiete von Bedeutung. In Verbindung mit „SOBOMÜ“ kann die Stadt durchsetzen, dass in diesen Gebieten mindestens 30 % der Wohnflächen im öffentlich geförderten Wohnungsbau errichtet und preisgebunden vermietet werden (Miete 6,25 – 7,15 Euro je Quadratmeter Wohnfläche).
Sollte sich herausstellen, dass diese Instrumente nicht ausreichen und dass sich Verdrängungsprozesse in bestimmten Stadtteilen manifestieren, kann und muss auch die Milieuschutzsatzung zur Anwendung kommen.
Durch das von der Verwaltung vorgeschlagene Umwandlungskataster kann die Datenbasis für sozialstrukturelle Veränderungsprozesse und ihre Verbindung zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen wesentlich verbessert werden. Deshalb soll dieses Instrument so schnell wie möglich zur Anwendung kommen.