Die Kommunalwahl ist gelaufen, nun geht es zur Stichwahl für den Oberbürgermeister. Ich schätze Ruprecht Polenz – aber in dem Moment, da der CDU der Machtverlust droht, zieht er offensichtlich noch mal alle Register, um den eigenen Parteifreund nach vorne zu bringen und den erfolgreichen politischen Konkurrenten zu schädigen. Das kann man so nicht stehen lassen.
Ruprecht Polenz versucht mit seiner wenige Minuten nach dem Schluss der Wahllokale erschienenen Kolumne, dem grünen OB-Kandidaten eine „Vollbremsung für den Wohnungsbau“ zu unterstellen, die nicht den Tatsachen entspricht.
So soll Tilman Fuchs angekündigt haben: „Wer künftig neue Flächen bebaut, soll an anderer Stelle in gleichem Umfang Flächen entsiegeln.“
Polenz beschreibt ein Szenario, in dem ein Bauherr, der zum Beispiel ein Mietshaus bauen will, erst mal an anderer Stelle eine entsprechend große Fläche kaufen und entsiegeln muss. Das ist vollkommen falsch. Weder fordern das die Grünen in Münster, noch gibt es dafür überhaupt die notwendigen rechtlichen Handhaben in der Bauordnung des Landes NRW oder im Baugesetzbuch des Bundes.
Der grüne OB-Kandidat Tilman Fuchs unterstützt das Ziel einer im Sinne des Klimaschutzes flächensparenden Kreislaufwirtschaft, ist aber nicht Erfinder der sogenannten „Netto-Null-Versiegelung“. Vielmehr ist sie das siedlungspolitische Ziel sowohl der schwarz-roten Bundesregierung als auch der schwarz-grünen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen.
So heißt es auf den Seiten des Bundesumweltministeriums: „In der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, den täglichen Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland von heute rund 51 Hektar pro Tag bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag zu reduzieren, um bis zum Jahr 2050 einen Flächenverbrauch von netto Null im Sinne einer Flächenkreislaufwirtschaft zu erreichen. Dabei geht es auch um den Schutz und die Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen. Wegen seiner Relevanz für den Klimaschutz (CO2-Senken) bildet das Ziel der Flächenkreislaufwirtschaft zudem ein wichtiges Element des Klimaschutzplans 2050 der Bundesregierung.“
Das Ministerium beschreibt den Weg zur „Flächenkreislaufwirtschaft“ unter anderem so: „Die Zielerreichung kann gelingen, wenn der Nachnutzung von Grundstücken und dem Bauen im Bestand konsequenter Vorrang vor der Neuausweisung von Siedlungsflächen gegeben wird.“
Die schwarz-grüne NRW-Landesregierung unterstützt „Netto-Null“ als langfristiges Ziel der Entwicklung der Siedlungsflächen. Auf dem Weg dahin will die Landesregierung den Flächenverbrauch in NRW „zeitnah“ auf fünf Hektar täglich senken.
Im Entwurf zur dritten Änderung des Landesentwicklungsplans NRW steht ein neuer Grundsatz. Wenn er beschlossen wird, müssen sich alle Gemeinden in Nordrhein-Westfalen in ihren Bauplänen daran halten. Und was will Tilman Fuchs? Das erfährt man aus dem Grünen-Wahlprogramm deutlich verlässlicher als aus der Polenz-Kolumne.
Die richtige Perspektive
Im Programm heißt es dazu: „Die Neuversiegelung werden wir auf das nötige Minimum beschränken und streben perspektivisch eine Netto-Null Versiegelung an.“
Der grüne OB-Kandidat Tilman Fuchs macht sich also die Zielsetzungen von Bund und Land zu eigen – nicht mehr und nicht weniger. Aber das Programm zeigt auch auf, wie man diesem Ziel konkret näher kommen will: „Dazu entwickeln wir eine Entsiegelungsstrategie, die aufzeigt, wo in Münster Entsiegelung sinnvoll ist.“
Klar ist nämlich, dass allein das Setzen von Zielen nicht mehr reicht. Wenn Tilman Fuchs am 28. September Münsters erster grüner Oberbürgermeister wird, dann muss und wird etwas passieren in Sachen Entsiegelung und flächensparsamer Siedlungsentwicklung.
Zugleich wird aber keines der bereits in Planung befindlichen Wohngebiete in Frage gestellt. Zur Einordnung: Rund 21.000 neue Wohnungen haben die Grünen in flächensparender Bauweise gemeinsam mit SPD und Volt allein in neuen Baugebieten auf den Weg gebracht.
Auch hierzu ein Zitat aus dem Grünen Wahlprogramm: „Münster wird auch in den kommenden Jahren weiter wachsen, voraussichtlich um 10.000 Menschen bis 2033. Wir stellen uns den Herausforderungen, die damit auf uns zukommen. Das Wachstum innerhalb unserer Stadt ist notwendigerweise begrenzt. Zugleich ist eine ungehemmte Suburbanisierung, also die Verlagerung des Wachstums in Münsters Nachbargemeinden mit ihren höheren Flächenbedarfen und wachsenden Pendelverkehren für uns keine Alternative. Wir werden daher weiterhin die Weichen für ein nachhaltiges und gesteuertes Wachstum der Stadt Münster stellen.“
Dass Herr Polenz (und die örtliche CDU) die entsprechenden Vorgaben beziehungsweise Pläne der Gesetzgeber in Bund und Land nicht kennt oder sie bewusst ignoriert, passt leider allzu gut in den bisherigen Wahlkampf der CDU.
Statt eigene Ideen für Artenschutz, Klimaanpassung und Entsiegelung zu präsentieren, setzen die Union, deren zweitplatzierter OB-Kandidat und Kolumnist Polenz auf Unterstellungen, Halbwahrheiten und Fake-News.
Dazu passt, dass man der Bevölkerung verspricht, der Krise am Wohnungsmarkt mit der Ausweisung neuer Einfamilienhausgebiete zu begegnen – ein Versprechen, das der Breite der Bevölkerung nicht helfen würde und schon allein an den viel zu knappen städtischen Flächen scheitern muss.
Erkennbar einziges Ziel ist dabei, die Grünen zu diskreditieren – und nachdem das nicht geklappt hat, geht es gegen OB-Kandidat Fuchs.
Münster ist nur zu wünschen, dass diese Methode bei der Stichwahl genauso wenig funktioniert wie bei der ersten Wahlrunde am Sonntag.
Ihr Gerhard Joksch
